Schulen und eine Gesamtstrategie gegen den Fachkräftemangel

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Der Fachkräftemangel in Deutschland wird – wie aktuelle Studien bestätigen – zu einer massiven Gefahr für Wirtschaft, Gesellschaft und Bildungssysteme. Eine IW-Prognose nennt unbesetzte 768.000 Fachkräfte-Stellen bis 2028 (487.000 in 2024) – mit besonders starken Defiziten in Verkauf, Kindererziehung, Sozialarbeit und Pflege.

Schulen stehen im Zentrum dieser Entwicklung: Sie bilden den Nachwuchs, bilden den Charakter und gestalten unsere Zukunft. Wenn sie jedoch selbst unter Personalmangel leiden, drohen Unterrichtsausfall, sinkende Bildungsstandards und ein Rückgang der Berufsnachfrage. Aktuelle Daten belegen: Bis 2030 fehlen in Deutschland voraussichtlich zwischen 56.000 und 81.000 Lehrkräfte – die größte Krise im Bildungssystem seit Jahrzehnten.

1 | Die aktuelle Datenlage

1.1 Fachkräftelücke

  • Im Einzelhandel: 12.900 offene Stellen in 2024, fast 40.470 bis 2028.
  • Lehrerbedarf: Kultusminister sprechen von 12.000 fehlenden Lehrern, Verbände von bis zu 40.000.
  • NRW: 6.700, Niedersachsen: 8.000, Berlin: 695 fehlende Stellen.

1.2 MINT-Fächer besonders betroffen

  • MINT-Lehrkräfte fehlen massiv – in manchen Fächern ist nur ein Drittel der Stellen besetzt.
  • Quereinsteigerquote bei Lehrkräften 2022/23: 9,8 % an allgemeinbildenden Schulen, über 21 % an Berufsschulen.

1.3 Ursachen

  • Demografischer Wandel: Mehr Schüler, weniger Lehrkräfte.
  • Studienplatzabbau im Lehramt in den 2000ern.
  • Hohe Abbruchquote und Arbeitsverdichtung führen zu Unzufriedenheit.

2 | Rolle der Schulen in der Gesamtstrategie

2.1 Berufsorientierung & MINT

  • Der Handelsverband Deutschland fordert mehr Fokus auf Einzelhandelsberufe.
  • Programme wie „MINT-Zukunft schaffen“ und das „Berliner Berufsorientierungsprogramm“ bieten praxisnahe Ansätze.

2.2 Attraktivität des Lehrberufs steigern

  • Gleiche Bezahlung: A13 für Grundschullehrkräfte.
  • Erleichterung für Quereinsteiger durch Masterstudiengänge und Anerkennung ausländischer Abschlüsse.
  • Entlastung durch multiprofessionelle Teams.

2.3 Weiterbildung & lebenslanges Lernen

  • Kita-Gesamtkonzepte können als Vorbild für Schulen dienen.
  • Fortbildungsmaßnahmen, Mentoring für Quereinsteiger und Führungskräfteentwicklung sind notwendig.

2.4 Digitalisierung als Notlösung

  • Beispiel Sachsen: Physikunterricht per Videokonferenz.
  • Langfristige Lösungen benötigen dennoch Personal vor Ort.

2.5 Kooperation mit Wirtschaft

  • Partnerschaften mit Unternehmen (z. B. Ecole 42, Siemens, Handwerkskammern).
  • Programme mit Praxisphasen und schulischer Begleitung stärken den Übergang in duale Systeme.

3 | Gesamstrategische Handlungsfelder

Ebene Rolle Instrumente/Maßnahmen
Bund Rahmenvorgaben, Finanzierung, Migration Startchancen-Programm, Anerkennung, Zuwanderungsstrategie
Länder & Kommunen Schulorganisation, Studienplätze, Digitalisierung Mehr Lehramtsplätze, Stipendien, Rückkehrende Pensionäre
Schulen Umsetzung, Berufsorientierung, Entlastung Multiprofessionelle Teams, Regionale Bindung, Qualitätsmanagement
Wirtschaft & Verbände Praktika, Ausbildung, MINT-Kooperation Duale Programme, Unternehmensschulen
NGOs/Zivilgesellschaft Support für Bildungsangebote, Mentoren Sprachförderung, NGOs in Brennpunkten
Individuen Quereinsteiger:innen, lebenslanges Lernen Förderung, Anerkennung, Zuwanderung

4 | Herausforderungen & Kritik

4.1 Regionale Disparitäten

Ländliche Räume und neue Bundesländer leiden besonders unter der Lehrkräfteknappheit. Fördermaßnahmen wie das Brandenburg-Stipendium helfen, reichen aber nicht aus.

4.2 Qualitätssicherung

Quereinsteiger benötigen gezielte Schulung: Ohne ein bis zwei Semester Vorqualifikation sinkt die Qualität des Unterrichts. Eltern kritisieren den Qualitätsverlust spürbar.

4.3 Finanzierung & Bürokratie

Während Lehrer fehlen, werden Personalstellen abgebaut (z. B. 2.416 in Niedersachsen) – gleichzeitig nimmt Bürokratie zu. Der DGB fordert klare Strategien, Infrastrukturinvestitionen und faire Arbeitsbedingungen.

5 | Empfehlungen für eine wirksame Gesamtstrategie

  • Frühzeitige Berufsorientierung und praxisnahe MINT-Förderung.
  • Mehr Studienplätze und finanzielle Anreize für den Lehrberuf.
  • Verbindliche Qualifizierung von Quereinsteigern.
  • Zusammenarbeit von Schule, Wirtschaft und Zivilgesellschaft stärken.
  • Digitalisierung gezielt und qualitätssichernd einsetzen.
  • Attraktive Perspektiven für ländliche Regionen schaffen.

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